Kohlenhydrate nach dem Kraftraining?: 3 Dinge, die zu beachten sind!

Man hört immer wieder, dass es sehr wichtig ist, Kohlenhydrate nach dem Krafttraining zu sich zu nehmen. Manche gehen sogar so weit, dass sie sagen, man solle Zucker zu seinem Proteinshake hinzufügen.

Nun, lasst uns objektiv anschauen, ob das wirklich notwendig ist und ob euch der Kohlenhydratkonsum nach dem Training beim Muskelaufbau hilft!

Das Ziel nach einem Training sollte sein, eine positive Netto-Proteinbilanz zu erreichen. Das heißt, mehr proteinaufbauende als proteinabbauende Prozesse finden im Körper, genauer gesagt im Muskel, statt (siehe Grafik).

Proteinbilanz

Stellt euch nun vor, ihr nehmt Kohlenhydrate nach dem Krafttraining zu euch, etwa in Form eines Shakes.

Børsheim et al. (2004) haben das untersucht und fanden heraus, dass Leute die einen Shake mit 100g Maltodextrin tranken (vs. Placebo), keine positive Proteinbilanz erreichten. Der Proteinabbau ging zwar zurück, aber die Proteinsynthese (aufbauende Prozesse) stieg nicht an. Außerdem scheint es hierbei einen Deckeneffekt zu geben. Beispielsweise fanden Glynn et al. (2010), dass 70g Kohlenhydrate nicht mehr Einfluss auf den Proteinabbau hatten als 30g.

Glynn et al. schlossen aus ihrem Review der Literatur, dass eine erhöhte Proteinbilanz nach Trainingshakes fast gänzlich dadurch kommt, dass Proteinzufuhr die Proteinsynthese anregt und dass es nur kleine Veränderungen im Proteinabbau gibt, unabhängig von der Dosis an Kohlenhydraten oder vom Insulinspiegel.

1) Ok, d.h. Kohlenhydrate helfen hauptsächlich beim Verringern des Proteinabbaus. Ist das nicht gut?

Nun, ein anderes Review der Literatur (Kerksick & Leutholtz, 2005) fand heraus, dass die Zufuhr von reinem Protein die Proteinbilanz in ähnlichem Maße stimulierte wie eine Kombination aus essentiellen Aminosäuren und Kohlenhydraten. Das bedeutet, Kohlenhydrate können zwar den Proteinabbau ein wenig verringern, wenn Kohlenhydrate das einzige sind, das ihr nach dem Training zu euch nehmt. Wenn ihr aber bereits Protein konsumiert, haben Kohlenhydrate weniger oder keinen zusätzlichen Effekt.

Als Beispiel seien zwei Studien angeführt, die den Probanden eine ordentliche Dosis Protein mit unterschiedlichen Mengen an Kohlenhydraten verabreichte: Koopman et al. (2007) schaute sich die Proteinbilanz bei Leuten nach dem Krafttraining an, die entweder ~25g Protein mit 0; 0,15 oder 0,6 g Kohlenhydraten/kg Körpergewicht zu sich nahmen. Es gab keinen Unterschied in der Ganzkörperproteinsynthese, Ganzkörperproteinabbau und auch nicht in der Gesamtkörperproteinbilanz. Das zeigt deutlich, dass sobald genügend Protein konsumiert wird, Kohlenhydrate überflüssig werden (hinsichtlich Stimulation der Proteinbilanz).

Staples et al. (2011) hatten ein ähnliches Design. Sie gaben einer Gruppe 25g Whey und einer anderen Gruppe 25g Whey und 50g Maltodextrin dazu. Das Ergebnis war identisch: Keine Unterschiede in der Proteinsynthese oder dem Proteinabbau zwischen den Gruppen.

2) Was ist mit Insulin?

Es schmerzt vielleich ein bisschen, die obige Information zu hören. Vor allem, wenn man schon seit langem Zucker zu seinen Shakes dazu gibt. Es ist eine gängige Bodybuilder-Theorie dass Kohlenhydrate Insulin erhöhen, und da Insulin höchst anabol wirkt, soll es dabei helfen, das Protein in die Muskeln zu transportieren. Das würde bedeuten, Kohlenhydrate wirken synergistisch mit Protein und dies führe zu einer erhöhten Proteinbilanz. Klingt wahnsinnig plausibel, ist aber von der empirischen Evidenz nicht gestützt: Der Körper braucht keine Kohlenhydrate um Protein zu verwerten

Ebenso plausibel klang die Theorie dass eine Diätform, bei der sehr viel Insulin produziert wird, wie etwa einer high-carb Diät, zu weniger Fettabbau führt als eine low-carb Diät. Nun das stimmt nicht. Bei gleicher Kalorien- und Proteinaufnahme führen Diäten mit unterschiedlichem Kohlenhydratanteil zum selben Fettabbau.

Natürlich können Kohlenhydrate nach dem Krafttraining in bestimmten Situationen sinnvoll sein, wie etwa bei einem Carb-Load (vor einem Wettkampf). Grundsätzlich hat man aber überhaupt keinen Vorteil davon, wenn man Dextrose, Maltodextrin oder ähnliches nach dem Training zu sich nimmt. Diese Kohlenhydratquellen sind hochkalorisch und enthalten keine Nährstoffe. Schaut, dass ihr eure Kohlenhydrate von Gemüse, Obst und Vollkornprodukten bekommt. 

3) Was ist mit den Glykogenspeichern, die nach dem Training schnellstmöglich wieder aufgefüllt werden müssen?

Schauen wir uns diesbezüglich an, wie sehr die Glykogenspeicher (Zuckerspeicher in den Zellen) von einem Training „entleert“ werden. Bei einem typischen Krafttraining, müsste man ein astronomisch hohes Volumen ausüben, um die Glykogenspeicher tatsächlich leer zu machen. Als Beispiel: Ein Ganzkörper-Workout mit 9 Übungen a 3 Sätzen mit 80% des 1RM (seeehr anstrengend) verbraucht etwa nur ein Drittel der Glykogenspeicher. Ebenso verbrauchen 9 Sätze für einen spezifischen Muskel nur 36% des Glykogens in diesem Muskel.

Eine andere Studie zeigte, dass 6 Stunden nach einem Leg-Extension Training bei 70% des 1RM (bis zum absoluten Muskelversagen) 75% des verbrauchten Glykogens wiederhergestellt wurde. Und das ohne Nahrungszufuhr nach dem Training. 

Hier sei erwähnt, dass Sprints, Intervalltraining oder andere glykolytische Aktivitäten (z.B. Fußballspielen, Tennisspielen etc.) weitaus mehr Glykogen verbrauchen, als ein typisches Krafttraining. Beispielsweise wurde gefunden, dass die Glykogenspeicher des vastus lateralis (Ein Oberschenkelmuskel) von Fußballspielern nach einem Spiel um 80% entleert wurden.

Solltet ihr wirklich an dem Punkt angelangen, wo eure Glykogenspeicher völlig entleert sind, würdet ihr das merken. Ausdauersportler nennen das „hitting the wall“. An dieser Stelle kann man sich nämlich kaum noch bewegen. 

Der Körper allerdings die bemerkenswerte Fähigkeit, sehr effizient Glykogen wiederherzustellen. Beispielsweise kann das beim Training produzierte Laktat über den Cori-zyklus zu Glykogen resynthetisiert werden. Die Message ist, Timing von Kohlenhydraten ist nur dann wichtig, wenn maximale Performance mehrmals am Tag benötigt wird, etwa bei Profi-Athleten. In einem solchen Fall machen „schnelle“ Kohlenhydrate zwischen den Trainingseinheiten sogar Sinn.

Wenn man aber nur einmal am Tag trainiert, hat der Körper weit mehr als genügend Zeit, die Glykogenspeicher wieder aufzufüllen, selbst bei sehr geringer Kohlenhydratzufuhr.

Tipps

  • Fallt bitte nicht auf Supplement Firmen rein, die euch für viel Geld einen „Weight Gainer“ andrehen wollen. Da ist meistens nichts anderes als Zucker drin.
  • Kohlenhydrate nach dem Training werden überflüssig, wenn ihr Protein zu euch nehmt.
  • Verwechselt Krafttraining nicht mit Ausdauertraining. Krafttraining verbraucht eure Glykogenspeicher kaum, auch wenn es sich so „anfühlt“.
  • Viele Profi-Bodybuilder injizieren sich Insulin nach dem Training. Das sorgt dafür, dass sie eine große Menge an Kohlenhydraten zu sich nehmen müssen, um nicht in einen hypoglykämischen Zustand zu kommen. Ohne von außen zugeführtem Insulin und Steroiden, wird eine überschüssige Menge an Kohlenhydraten aber höchstwahrscheinlich zu Fett und nicht Muskeln.

Take Home Message

Ihr braucht euch generell keine Sorgen über Kohlenhydrate unmittelbar nach dem Krafttraining machen. Sobald genügend Protein konsumiert wird, haben Kohlenhydrate keinen zusätzlichen Effekt auf eure Proteinbilanz. Das bedeutet natürlich nicht, dass ihr Kohlenhydrate ausdrücklich vermeiden sollt (Ich empfehle generell gemischte, vollwertige Mahlzeiten). Aber Zucker zu euren Shakes dazu zu geben bzw. Weight Gainer zu konsumieren hat leider keinen magischen Effekt und ist nicht zu empfehlen.


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