Macht Zucker wirklich dick?

Zucker ist der Lieblingsfeind vieler (scheinbarer) Ernährungsexperten. Er wird häufig als weißes Gift bezeichnet und es ist gängige Meinung, dass Produkte, die Zucker enthalten, dick machen.

Aber es ist leider nicht so schwarz weiß, wenn wir uns Zucker wissenschaftlich ansehen.

Macht dich Zucker wirklich dick?

Gibt es irgendetwas besonders am Zucker, das vielleicht besonders dick macht?

Die Antwort ist ernüchternd: Es hängt von deiner Ernährung ab!

Insbesondere hängt die Wirkung von Zucker auf die Körperzusammensetzung davon ab, ob deine Ernährung eine vordefinierte Menge an Makros hat, die du jeden Tag einhältst oder ob du einfach isst, bis du satt bzw. voll bist.

Sättigt Zucker? 

Wenn du isst, bis du satt bist (ad libitum, wie Forscher es nennen) und du anfängst, deinem Kaffee, deinem Haferbrei und deinen Proteinshakes Zucker hinzuzufügen, wirst du höchstwahrscheinlich an Gewicht zunehmen (oder weniger Gewicht verlieren, wenn du in einem Energiedefizit bist).

Der Grund ist einfach. Zucker schneidet im Sättigungsindex sehr niedrig ab. Das bedeutet, dass er dich nicht besonders füllt. Vor allem nicht in Anbetracht der Energie, die du konsumierst. Wenn du also Zucker zu deiner Mahlzeit hinzufügst, wirst du wahrscheinlich nicht weniger davon essen.

Tatsächlich kannst du meist sogar mehr davon essen, weil es leckerer ist (höhere „Schmackhaftigkeit“, eng. „palatability“ wie Wissenschafler es nennen). Wenn du also  Zucker zu den Mahlzeiten dazugibst, erhöht das in der Regel deine Energieaufnahme.

Und da dein Körper den Gesetzen der Physik folgt, insbesondere den Gesetzen der Thermodynamik, hängt das, was mit deinem Gewicht passiert, von der Energiebilanz deines Körpers ab.

In einem Energieüberschuss nimmst du an Gewicht zu, da die nichtbenötigte Energie gespeichert wird.

In einem Energiedefizit verlierst du an Gewicht, weil dein Körper Gewebe oxidieren (verbrennen) muss, um genügend Energie zur Verfügung zu haben.

Zucker vs. Clean Carbs?

Ok, so weit so gut. Aber was wir wirklich wissen wollen, ist folgendes:

Ist Tischzucker, auch bekannt als Saccharose (50% Glucose, 50% Fructose) dickmachender als Stärkeprodukte wie Reis oder Haferflocken, wenn du gleich viel Kalorien davon konsumierst?

Zucker und Vollkornbrot

In einer 6-monatigen Studie mit 390 Teilnehmern aß eine Gruppe eine Ernährung mit hohem Gehalt an komplexen Kohlenhydraten und eine andere Gruppe aß eine Ernährung mit hohem Gehalt an einfachen Kohlenhydraten.

Beide Diäten hatten die gleiche Gesamtkohlenhydrat- und Energieaufnahme. Es gab keine Unterschiede im Fettabbau oder im Muskelerhalt. Die Diäten waren auch in ihrer Wirkung auf die Blutfettwerte identisch, ein wichtiger Indikator für die kardiovaskuläre Gesundheit.

Es macht wenig Sinn, einfache Kohlenhydrate als schlecht und komplexe Kohlenhydrate als gut zu klassifizieren.

Die Unterscheidung zwischen einfachen und komplexen Kohlenhydraten ist in der Tat nämlich völlig willkürlich. Es ist nur eine medizinische Tradition, dass wir Kohlenhydrate mit 3 oder mehr Zuckern „komplexe Kohlenhydrate“ und Kohlenhydrate mit 1 oder 2 Zuckern „einfache Kohlenhydrate“ nennen.

Zur Untermauerung dieser Behauptungen haben Studien festgestellt, dass Diäten mit unterschiedlichen Zuckermengen zu den gleichen Veränderungen der Körperzusammensetzung führten[2].

In einer anderen Studie führte der Ersatz eines Teils der komplexen Kohlenhydrate einer Diät durch einfache Kohlenhydrate nicht zu Veränderungen in der Körperzusammensetzung.

Was ist mit zuviel Fructose?

Ein aktuelles Meta-Review der Literatur über die Auswirkungen von Fructose ( „Fruchtzucker“) auf das Körpergewicht kam zu dem Schluss, dass der Ersatz von Fructose durch andere iso-kalorische Kohlenhydrate keine Gewichtszunahme bewirkt.

Da hast du richtig gehört: Es ist ein Mythos, dass Fructose pro Kalorie dickmachender als andere Kohlenhydrate ist -zumindest in der Praxis, wenn man nicht weit über hundert Gramm reine Fruktose konsumiert.

Zur Referenz:

1 Apfel enthält etwa 5-10 Gramm Fruktose, 1 Pfirsich sogar nur 1-2 Gramm.

Solange du deine Makros trackst bzw. weißt, was in deinen Körper gelangt, ist Zucker in deiner Ernährung an sich nichts Schlechtes bzw. Schädliches.

Was ist mit dem Blutzucker?

Es ist ein Mythos, dass Tischzucker einen massiven Blutzuckeranstieg verursacht, gefolgt von einem kompletten Crash.

Die Wirkung von Lebensmitteln auf den Blutzucker wird durch den glykämischen Index (GI) gemessen. Tischzucker hat aufgrund seines 50%igen Fruktosegehalts einen GI von ~68, was einen „mittleren“ Effekt auf den Blutzucker hat.

Tischzucker hat tatsächlich einen niedrigeren GI als Vollkornbrot, welches einen GI von ~71 aufweist.

Tischzucker hat auch einen niedrigeren Insulinindex als Brot. (Die genauen Werte unterscheiden sich je nach Publikation, aber der Trend ist konsistent.)

Wie sieht es mit der Gesundheit aus?

Bevor du nun aber losrennst und allen sagst, dass es in Ordnung ist, sich mit Süßigkeiten vollzustopfen: Zucker enthält leere Kalorien.

Gemüse hat mehr Ballaststoffe, Mikronährstoffe und Phytochemikalien. Somit wird sich deine Gesundheit sicherlich nicht freuen, wenn deine Diät aus nichts anderem als verarbeitetem Müll besteht.

Im Rahmen einer insgesamt gesunden Ernährung hat jedoch ein gewisser Zuckerkonsum keinen großen Einfluss auf deine Gesundheit. Vor allem als aktiver, schlanker Krafttrainierender, da deine Blutzuckerkontrolle und Gesundheit im Allgemeinen bereits ausgezeichnet sein sollte.

Eine Meta-Analyse und ein systematisches Review ergaben, dass die Auswirkungen des glykämischen Index auf Gesundheitsmarker von den Anfangswerten der Gesundheitsmarker abhängen.

Bedeutet das, wenn ich gesund bin ist es egal, was ich esse?

Diäten mit niedriger glykämischer Last sind gut für deine Gesundheit, wenn du zunächst ungesund bist, insbesondere fettleibig oder diabetisch, aber in gesunden Populationen gab es keinen Effekt. Dies ist ein Beispiel für einen Deckeneffekt. Du kannst etwas nicht reparieren, wenn es nicht kaputt ist. Wenn du also bereits gesund bist, macht dich das Essen von „gesunden“ Lebensmitteln irgendwann nicht noch gesünder.

Wenn du schlank bist, auf deine Ernährung achtest und körperlich aktiv bist, kann man mit Sicherheit sagen, dass du in die gesunde Kategorie gehörst und die glykämische Last deiner Ernährung keinen wesentlichen Einfluss auf deine Gesundheit hat.

Es gibt beispielsweise viele Kulturen in tropischen Klimazonen, die von einer Ernährung mit bis zu 90% Kohlenhydraten leben [2, 3]. Und wir reden hier nicht von Haferflocken und Brokkoli. Diese Kulturen sind auf zuckerhaltige Früchte angewiesen. Zum Beispiel ist Honig das Lieblingsessen der Hadza aus Tansania.

Die Evolution hat dafür gesorgt, dass unser Körper mit Zucker umgehen kann, denn er ist in vielen der nahrhaftesten Lebensmittel der Welt enthalten: Obst. Obst ist in der Tat eines der Lebensmittel, die der Mensch für die längste Zeit unserer genetischen Existenz konsumiert hat. Seit wir noch Affen waren, die im Dschungel lebten, ist Obst ein Grundnahrungsmittel in der menschlichen Ernährung,  [2]. Außerdem befindet sich Glukose buchstäblich in unserem Blut.

Take-Home Message

Im Rahmen einer insgesamt gesunden Ernährung mit Kalorieneinschränkung bzw. -gewahrsein, wird Zucker dich nicht fett oder ungesund machen. Du kannst schlank bzw. extrem shredded werden, ohne dich auf Reis oder Kartoffeln als einzige Kohlenhydratquellen zu beschränken.

Der Verzehr von Zucker lässt dein Sixpack nicht plötzlich unter massivem Bauchfett verschwimmen, solange du auf deine Kalorien achtest. Und nein, du brauchst Obst oder Milchprodukte nicht vermeiden. Ganz im Gegenteil, diese Nahrungsmittel tragen zu einer gesunden Ernährung bei. Fruktose oder Laktose machen dich nicht fett. Das ist genau die Art von Bro-science bzw. unhinterfragtem Denken, was Menschen dazu bringt, zwanghafte und monotone Diäten einzuhalten. Solche Ansätze sind sowohl psychologisch als auch ernährungsphysiologisch nicht gesund.


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