Soll man bei viel Stress Krafttraining machen?

1. Was macht zu viel Stress mit uns?

Stress ist schlecht für alles. Wenn man ein sehr stressreiches Leben führt, stirbt man früher.

Bestimmt bist du manchmal an dem Punkt, wo du dir denkst, so kann es nicht mehr weiter gehen. Es wird einfach zu viel.

Eine Online-Umfrage aus Großbritannien bei 4619 Erwachsenen fand zum Beispiel heraus, dass sich  74% der Leute an einem bestimmten Punkt so gestresst gefühlt haben, dass sie dachten, es wäre nicht mehr zu bewältigen.

Auch in der Arbeit sieht es für viele nicht unbedingt rosig aus.

In den U.S. erleben 80% der Arbeiter regelmäßig Stress in der Arbeit und etwa die Hälfte behauptet, dass sie Hilfe bräuchte, wie man mit Stress umgeht.

Was ist „Stress“ überhaupt?

Die Auswirkungen von Stress werden weitgehend durch Cortisol, das „Stresshormon“, vermittelt. Chronisch erhöhte Cortisolproduktion kann die Hypothalamus-Hypophyse-Nebennierenrinden-Achse stören. Dies hat Auswirkungen auf fast alle Hormone.

Da eure Hormone die Botenstoffe vieler verschiedener Systeme sind, können Störungen des Hormonsystems praktisch alle Teile des Körpers betreffen. Dies zeigt sich besonders bei hohen Belastungen wie Burnout und posttraumatischen Belastungsstörungen.

Manche Leute bekommen Probleme mit ihrem Schlaf, mit ihrer Haut, mit ihrer Konzentration und können sich einfach nicht mehr entspannen.

Und bestimmt warst du auch mindestens einmal im Leben in einer solchen Lage.

Wir betrachten diese Dinge als psychologische Phänomene, aber die Symptome sind eindeutig auch physisch. Cortisol ist die direkte Verbindung von Psychologie und Physiologie.

Hollander et al. haben eine noch unveröffentlichte Studie über die Wirkung von akademischem Stress bei Studenten durchgeführt.

In ihrer Studie hatte die Gruppe mit dem hohen Stressniveau weniger als die Hälfte der Kraftsteigerung bei der Beinpresse im Vergleich zu der Gruppe mit einem geringen Stressniveau.

Die Gruppe mit hohem Stress erhöhte auch ihr Körperfett und verlor Oberschenkelumfang, während die Gruppe mit geringem Stress nicht nur Körperfett verlor, sondern auch ihren Oberschenkelumfang erhöhte.

Diese Studie untersuchte sowohl Männer als auch Frauen, und die Forscher fanden keine geschlechtsspezifischen Effekte.

Andere Untersuchungen bestätigen, dass psychischer Stress den Kraftzuwachs reduziert. Diese Studie fand auch eine 9 mal größere prozentuale Veränderung des Oberschenkelumfangs in der Gruppe mit geringer Belastung im Vergleich zur Gruppe mit hoher Belastung, jedoch erreichte dieser Unterschied keine statistische Signifikanz.

Grob gesagt kann dein Körper also nicht unterscheiden, woher der Stress kommt – er reagiert sozusagen allgemein auf potenzielle Gefahr, fährt viele Systeme gleichzeitig hoch – und das eben mit einigen Nebenwirkungen.

2. Was ist mit der Erholung beim Krafttraining?

Die negativen Auswirkungen von Stress auf die Erholung des Kraftniveaus nach dem Training wurden bereits in mehreren Studien dokumentiert.

Eine Studie ergab, dass der Unterschied zwischen hohem und niedrigem Stress einen zweifachen Unterschied in der Erholungsrate ausmacht, d.h. wenn man viel psychischen Stress hat, wird die Erholungskapazität halbiert.

Eine weitere Studie ergab, dass sich das Verletzungsrisiko in Zeiten hoher akademischer Belastung bei Football-Spielern der ersten Division etwa verdoppelt und dass akademischer Stress eine noch größere Rolle spielen kann als der körperliche Stress durch das Training selbst.

Das ist nicht verwunderlich, denn in der Medizin ist seit langem bekannt, dass Stress die Heilungszeit verschiedener Pathologien, auch einfacher Wunden, um bis zu 40% beeinträchtigt.

Ein gutes Trainingsprogramm sollte daher das Stressniveau des Einzelnen berücksichtigen.

Ich frage bei all meinen Kunden rigoros nach ihrem Stressniveau. Und zwar nicht nur „im Allgemeinen“, sondern auch von Woche zu Woche. Stresslevels müssen nämlich so akut wie möglich gemanaged werden, genau eben um Burnout und ähnliche Erscheinungsformen zu verhindern. 

Gestresste Trainierende benötigen nämlich eine geringere Trainingsfrequenz oder ein geringeres Trainingsvolumen, um sich von ihrem Training erholen zu können.

Übernimmt man in einer sehr stressreichen Zeit also den Cookie-Cutter Plan des Lieblingsbodybuilders – passiert nichts Gutes…

Tipp: In der Praxis ist es einfacher, das Trainingsvolumen als die Trainingshäufigkeit anzupassen, da dies ansonsten eine Änderung der gesamten Programmstruktur erfordern würde, sobald sich der Lebensstil eines Menschen ändert.

3. Weitere praktische Tipps um stressreiche Situationen im Alltag in den Griff zu bekommen

Idealerweise findet oder erarbeitet sich jeder eine Lebenssituation, wo er in einem richtigen Ausmaß beansprucht wird, denn zu wenige Herausforderungen im Alltag sind ebenso kontraproduktiv für das Wohlbefinden und die Gesundheit. 

Hier nun aber ein paar praktische Tipps, was man gegen typische Probleme im Alltag machen kann.

  • Fülst du dich nicht danach zu arbeiten? -> Geh für 10 Minuten raus in die Sonne spazieren. Beim Arbeiten selbst, hilft es etwa alle 25 Minuten eine 5-Minütige Pause einzulegen und sich kurz zu bewegen.

    Generell werden Pausen drastisch unterschätzt. Wenn ihr die Möglichkeit habt, beschäftigt euch in euren Pausen mit etwas völlig anderem als eurer Arbeit. Spiele, romantische Einheiten (mir fällt kein technisch korrekter Begriff hier ein ;), Entspannungsübungen, Stretching etc.

  • Kannst du nicht schlafen? -> An das Einschlafen zu denken ist in diesem Fall kontraproduktiv. Versuche stattdessen aktiv an etwas zu denken, wofür du dankbar bist. Auch wenn gerade nichts in den Sinn kommt, aktiviert bereits die Suche nach etwas dieselben Hirnareale (ja, Dankbarkeit zu praktizieren ist evidenzbasiert).

  • Machst du dir zu viele Sorgen? -> Sorgen können effektiv bekämpft werden, in dem du eine Achtsamkeits-Übung machst. Alles, was deinen Fokus „auf den gegenwärtigen Moment“ lenkt, hilft hier.

    Sorgen sind nämlich grob gesagt zu viel Aktivität in eurem präfrontalen Kortex und eurer Amygdala
    Tipp: konzentriert euch auf euren Atem, auf Geräusche in der Umgebung oder ähnliches). Eine weitere Möglichkeit ist es, sich sehr achtsam mit kleineren Aufgaben zu beschäftigen, die man schnell erledigen kann (Abspülen etc.). In jedem Fall geht es darum, ein Gefühl der Kontrolle zu erzeugen.

    Man kann sich nicht in Kontrolle fühlen und gleichzeitig sorgsam sein. Dies ist auch der Grund warum den Personen im Militär beigebracht wird, direkt nach dem Aufstehen das Bett zu machen. So haben sie direkt ein Erfolgserlebnis und ein Gefühl von Kontrolle: Dies schafft Selbstvertrauen durch Selbstwirksamkeit.

  • Fühlst du dich lethargisch, lustlos bzw. energielos mitten am Tag? -> Schock dein Kreislaufsystem mit einer kurzen intensiven Sprinteinheit oder noch besser, nimm eine kalte Dusche (1). Wenn du dies nicht gewöhnt bist, geh die Sache langsam an und beginne warm und beende die Dusche mit 10-Sekündigem kalten Wasser.
    Im kalten Wasser erhöht sich dein Adrenalinlevel im Blut um das 4-Fache – viele Antidepressiva zielen genau auf Veränderungen dieses Neurotransmitter ab (ebenso wie Serotonin). Viele Leute denken, dass der Körper nicht in der Lage für Training oder Kalt-Duschen sei, aber diese kognitive Barriere musst du einfach lernen zu durchbrechen.


Zu guter Letzt, tu mir einen Gefallen und schau dir bitte keine Nachrichten an.

In den Nachrichten hört man sehr selten etwas wirklich NEUES, sondern vielmehr Wiederholungen und Abwandlungen der schlimmen Dinge, die sowieso teilweise auf der Welt passieren.

Sich zu viel mit Dingen zu beschäftigen, die nicht unter unmittelbarer Kontrolle liegen, ist eine schlechte Langzeitstrategie um sich selbst mehr in Kontrolle über sein Leben zu fühlen. 

Also, konzentriere dich auf jene Dinge, die in deiner Kontrolle liegen, bau dir Selbstwirksamkeit auf – und du bist unaufhaltbar.

Liebe Grüße und eine stressfreie Zeit!

Thomas


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